Servus #19

Wie mehrfach im Servus berichtet, hat die Regierungskoalition umfassende Reformen im Bereich der Altersversorgung auf ihre Agenda gesetzt: Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung, Förderung der privaten Altersversorgung im Allgemeinen und Riesterrente im Speziellen, Verbesserungen der Rahmenbedingungen der betrieblichen Altersversorgung (Stichwort „Sozialpartnermodell“) – eigentlich kein Bereich, der nicht durchforstet und modernisiert werden sollte.

Ein wesentlicher Kritikpunkt bei allen Konzepten und Vorschlägen war dabei immer wieder die 2014 eingeführte sog. „Nahles-Rente“. Dabei handelt es sich um keine eigenständige Rente, sondern die Möglichkeit, vorzeitig und abschlagsfrei die gesetzliche Altersrente abzurufen. Dies ist unabhängig vom gesetzlich festgelegten Renteneintrittsalter bei Erreichen von 45 Versicherungsjahren möglich. Wer mindestens 35 Versicherungsjahre vorzuweisen hat, kann ebenfalls vorzeitig in Rente gehen, dann aber mit Abschlägen (0,3 % für jeden Monat des vorzeitigen Ruhestandes). Eingebürgert hat sich auch vielfach der Begriff „Rente mit 63“, auch wenn dieser nicht mehr ganz zutreffend ist, da aufgrund der schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre das Zugangsalter für diese Rentenart zurzeit bei 64 Jahren und 4 Monaten liegt, und bis 2029 auf 65 Jahre ansteigen wird.

Bei Einführung der „Nahles-Rente“ wurden jährlich ca. 200.000 Antragssteller prognostiziert. Dieser Wert wurde sogar noch übertroffen, und liegt bei insgesamt ca. 2,3 Millionen Nutzern seit ihrer Einführung. Nicht nur die damit verbundenen Kosten und zusätzlichen Belastungen der Rentenkasse sind erheblich, sondern auch die Frage, warum in Zeiten des Fachkräftemangels derartige Anreize für eine Frühverrentung gesetzt werden – obwohl ja eigentlich das Rentenzugangsalter angehoben werden sollte. Eine Abschaffung der Nahles-Rente wird daher parteiübergreifend befürwortet.

Die angemessene Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigungen bei der Berechnung von Versorgungsanwartschaften ist regelmäßig Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung. So hatte das Bundesarbeitsgericht auch jüngst wieder Gelegenheit, sich mit dieser Thematik auseinander zu setzen (BAG, Urteil vom 20.06.2023, Az. 3 AZR 221/22).

In der Sache ging es um eine Versorgungsordnung, bei der die Höhe der monatlichen Altersbezüge von der Dauer der Betriebszugehörigkeit und vom Einkommen im letzten Jahr vor dem Ruhestand abhängt. Die Regelung sieht vor, dass im Falle einer Teilzeitbeschäftigung die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten zehn Jahre vor dem Eintritt des Versorgungsfalles zu berücksichtigen ist.

Die Klägerin war mit dieser 10-Jahresbetrachtung nicht einverstanden. Sie machte geltend, dass der Zeitraum ihrer Teilzeitbeschäftigung in das Verhältnis zur gesamten anrechnungsfähigen Dienstzeit zu setzen sei, und nicht nur die der letzten zehn Jahre vor dem Ausscheiden. Eine Berücksichtigung des Beschäftigungsgrades lediglich der letzten zehn Jahre begründe eine ungerechtfertigte Benachteiligung wegen der Teilzeitbeschäftigung. Für sie ergäbe sich eine erheblich höhere durchschnittliche Wochenarbeitszeit, wenn ihre gesamte Dienstzeit berücksichtigt würde.

Das Gericht hat entschieden, dass bei sogenannten endgehaltsbezogenen Zusagen die betriebliche Altersversorgung eine Honorierung der Betriebstreue unter Bewertung des Versorgungsbedarfes darstellt. Ein Teilzeitfaktor müsse dabei nicht auf die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses bezogen sein. Es hat dies damit begründet, dass selbst wenn eine mittelbare Benachteiligung wegen einer Teilzeitarbeit vorläge, diese jedenfalls gerechtfertigt sei. Denn bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen stelle die zuletzt bezogene Vergütung ein objektives Kriterium dar. Der Pro-rata-temporis-Grundsatz verlange daher nicht die Berücksichtigung des Beschäftigungsfaktors für das gesamte Arbeitsverhältnis.

Die Bedeutung einer gelungenen Work-Life-Balance für Beschäftigte, Unternehmen und die Gesellschaft ist auch in Deutschland inzwischen unbestritten. Wer es schafft, für berufliche Verantwortung und private Verpflichtungen Zeit, Energie und Aufmerksamkeit aufzubringen, ohne sich dabei zu überfordern, ist weniger gestresst und hat mehr persönliche Ressourcen. Dies ermöglicht dem Einzelnen die Pflege gesunder Beziehungen und somit die Förderung der eigenen Entwicklung und Erfüllung. Der Blick auf den Menschen als soziales Wesen, der sowohl im Beruf als auch im Privatleben gesunde Beziehungen pflegt (Love), erweitert somit den Begriff der Work-Life-Balance zur Work-Life-Love-Balance.

Mit oder ohne den Aspekt der Beziehung: innere Ausgeglichenheit ist individuell. Zudem fördern die zunehmende Technisierung als auch Flexibilisierung der Arbeit ein stärkeres Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben (Work-Life-Blending). Wie kann es nun gelingen, Beschäftigte bei der Harmonisierung der Work-Life-Love-Balance zu unterstützen? Wir sind der Meinung, dass zwei Grundannahmen bei der Auswahl betrieblicher Maßnahmen entscheidend sind. Zum einen das Verständnis, dass die berufliche Rolle nur eine von vielen sozialen Rollen im alltäglichen Leben der Beschäftigten ist und die Wahrnehmung der Wichtigsten weitestgehend ermöglicht werden sollte. So ist der Mitarbeiter beispielsweise nicht nur Führungskraft, sondern auch Familienmensch, bekleidet ein Ehrenamt und ist sportlich aktiv. Dementsprechend geht es zum anderen bei der Aufteilung von Zeit und Energie nicht um das Festhalten an einem starren Plan und einen festen Ort, sondern darum, gegenseitige Flexibilität und Anpassungsfähigkeit im Umgang mit den drei Aspekten Arbeit – Leben – Beziehung zu begünstigen.

Ein Mobilitätsbudget ist eine finanzielle Zuwendung, die Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern erhalten, um ihre individuelle Mobilität zu gestalten. Anders als traditionelle Dienstwagenregelungen ermöglicht das Mobilitätsbudget eine breitere Palette an Mobilitätsdienstleistungen, darunter öffentliche Verkehrsmittel, Fahrradleasing, Carsharing, aber auch die Nutzung von Fahrt- und Reisedienstleistungen wie zum Beispiel Uber. Anbieterabhängig können auch Kosten für Fahrzeug-Service, Reparaturen und Zubehör, Benzinkosten und sogar Reisen ins Ausland über das Budget abgerechnet werden.

Für Unternehmen bietet das Mobilitätsbudget eine flexible Alternative zur klassischen Dienstwagenregelung und hilft, den administrativen Aufwand gering zu halten. Darüber hinaus kann ein Mobilitätsbudget dazu beitragen, die CO2-Emissionen zu reduzieren und die Nachhaltigkeit im Unternehmen zu fördern, indem es alternative und umweltfreundliche Mobilitätsformen unterstützt (z.B. E-Auto und Fahrrad). Für Mitarbeiter bedeutet das Mobilitätsbudget eine größere Flexibilität und Autonomie bei der Wahl ihrer Fortbewegungsmittel. Statt an einen bestimmten Dienstwagen gebunden zu sein, können sie je nach Bedarf und persönlichen Vorlieben zwischen verschiedenen Mobilitätsdienstleistungen wählen. Dies erhöht nicht nur die Zufriedenheit der Mitarbeiter, sondern kann auch zu einer besseren Work-Life-Balance beitragen.

Die A1-Bescheinigung, ein wichtiges, wenn auch kleines Detail der europäischen Personalarbeit, gewinnt dank wachsender Mitarbeitermobilität mehr an Bedeutung. Personalarbeit, gewinnt dank wachsender Mitarbeitermobilität mehr an Bedeutung. Mit ihr weisen Beschäftigte nach, dass sie über ihr Heimatland sozialversichert sind. Ohne diesen Nachweis unterliegen Beschäftigte grundsätzlich den im Ausland geltenden Rechtsvorschriften (Territorialprinzip). Konkret kann dies bedeuten, dass zusätzliche Zahlungen zur Sozialversicherung zu entrichten sind. In Ländern, in denen der Nachweis der arbeitsrechtlichen Meldepflicht unterliegt, drohen sogar Bußgelder. Kontrollen werden von der Finanzpolizei der jeweiligen Länder durchgeführt und können unter anderem an Bahnhöfen, Flughäfen, Messen und Konferenzen erfolgen.

Arbeitgeber mit Beschäftigten, die vorübergehend grenzüberschreitend tätig sind, sollten daher frühzeitig den A1-Nachweis über die Krankenversicherung beziehungsweise den Rententräger beantragen und an ihre Beschäftigten weiterleiten. Auch wenn eine nachträgliche Beantragung in Einzelfällen möglich ist, raten wir davon ab und empfehlen eine Beantragung spätestens zwei Wochen vor Dienstreiseantritt.

Neben der klassischen Dienstreise gehört auch Workation (Servus 09/23), sofern sie im Ausland durchgeführt wird, zu den vorübergehend grenzüberschreitenden Einsätzen und bedarf einer A1-Bescheinigung.

Die Beantragung erfolgt über das SV-Meldeportal, ehemals sv.net (Servus 10/23). Die im Rahmen des SV-Meldeportals zu erfüllenden Meldepflichten können an Drittanbieter übertragen werden.

Im Servus Newsletter #18 im Dezember 2023 hatten wir den Gesetzesentwurf bereits erläutert, nun ist es beschlossene Sache: die Einkommensgrenze für Elterngeld sinkt ab 1. April diesen Jahres erheblich.

Bisher bekommen laut Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) Eltern mit einem zu versteuernden Einkommen von weniger als 300.000 Euro im Jahr vor der Geburt Elterngeld. Bei Alleinerziehenden müssen es weniger als 250.000 Euro sein. Ab dem 01.04.2024 bekommen Paare mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen über 200.000 Euro kein Elterngeld mehr. Ein Jahr später, ab dem 01.04.2025, wird die Grenze noch einmal auf 175.000 Euro sinken. Für Alleinerziehende soll die bisherige Grenze von 250.000 Euro weiterhin gelten.

Des Weiteren wird die Möglichkeit für Eltern, das Elterngeld parallel zu beziehen, neu geregelt. Ein gleichzeitiger Bezug ist künftig nur noch für maximal einen Monat bis zum 12. Lebensmonat des Kindes möglich. Ausnahmen für den parallelen Bezug gibt es beim ElterngeldPlus, beim Partnerschaftsbonus sowie bei Mehrlingen und Frühchen.

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