Servus #6

November 2021

Die Themen in unserem aktuellen Newsletter sind: „Nachlese zur Bundestagswahl“, „Anhebung der gesetzlichen Renten“, „Anpassung der Sozialversicherungsgrößen“, „Festlegung des PSV-Beitragssatz für 2021“, „Kurzarbeit in Corona-Zeiten“, „Rechtsprechung: Erwerbsminderungsrente.

Inhaltsverzeichnis

Nachlese Bundestagswahl: Die Pläne zur Altersversorgung im Koalitionsvertrag

Mit einem Sondernewsletter zur Bundestagswahl im September hatten wir Sie über die in den Wahlprogrammen der einzelnen Parteien enthaltenen Pläne zur Altersversorgung informiert. Inzwischen liegt der Koalitionsvertrag der Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP vor. Vereinbart für die kommende Legislaturperiode (bis 2025) wird darin u.a. folgendes:

– Das Mindestrentenniveau der gesetzlichen Rente von 48% soll dauerhaft gesichert werden (explizite Ziele der SPD und der Grünen in ihren Wahlprogrammen), der Beitragssatz in der Legislaturperiode nicht über 20% steigen. Rentenkürzungen und eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters soll es nicht geben.

– Zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz wird der Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung vereinbart. Dies soll über einen öffentlich-rechtlich verwalteten Fonds geschehen, der in einem ersten Schritt in 2022 mit 10 Milliarden Euro dotiert werden soll (hier enthielten die Wahlprogramme aller drei Parteien ähnliches).

– Im Koalitionsvertrag bekennen sich die Parteien weiterhin zu einer Stärkung der betrieblichen Altersversorgung. Dies soll unter anderem durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen geschehen. Hier herrscht in der Tat dringender Reformbedarf, da die über Jahre gewachsenen – und mitunter sehr kleinteiligen – Regelungen aus den Bereichen Steuer-, Arbeits-, Sozialversicherungs- sowie des Versicherungsaufsichtsrechts im Ergebnis nicht einfach machen, angemessene Renditemöglichkeiten zu nutzen.

Anhebung der gesetzlichen Renten zum 01.07.2022

Und nochmal zum Thema „gesetzliche Rentenversicherung“: Anfang November wurde verkündet, dass die gesetzlichen Renten zum 01.07.2022 um 5,2% in Westdeutschland und um 5,9% im Osten steigen könnten. So jedenfalls die offiziellen Angaben vom Schätzerkreis Rentenversicherung. Hintergrund für diese deutliche Erhöhung – in Westdeutschland so hoch wie seit fast 40 Jahren nicht – war der pandemiebedingte Konjunktureinbruch 2020, der für die Anpassung im Sommer diesen Jahres zu einer Nullrunde im Westen, und zu einer marginalen Anpassung im Osten um 0,72% geführt hatte. Die in 2021 anziehende Konjunktur führte nun wieder zu einem Anstieg der Beitragseinnahmen.

Gegen eine Rentenerhebung in diesem Umfang gab es jedoch zahlreiche und ernst zu nehmende Kritik. Denn der hohe Rentenanstieg hat seine Ursache nicht nur in der konjunkturellen Entwicklung, sondern auch im Aussetzen des sog. Nachholfaktors in der Rentenpassungsformel in der letzten Legislaturperiode. Im Grundsatz hängt die Entwicklung der Renten von der Entwicklung des (Durchschnitts-)Einkommens ab. Steigen diese, steigt auch die Rente. Ein Sinken der Rente ist jedoch gesetzlich ausgeschlossen. Eigentlich erforderliche Rentenkürzungen sollen durch den 2008 eingeführten sog. Nachholfaktor durch später etwas geringere Rentensteigerungen ausgeglichen werde. Die große Koalition hatte diesen Nachholfaktor allerdings im Jahre 2018 ausgesetzt. Wäre dieser Nachholfaktor, der die Balance zwischen Beitragszahlern und Rentnern sicherstellen soll, noch in Kraft, würde die Rentensteigerung zum Sommer 2022 in etwa nur noch halb so hoch ausfallen.

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grüne und FDP wurde nun allerdings vereinbart, dass der Nachholfaktor rechtzeitig vor den Rentenanpassungen 2022 wieder aktiviert wird. Es bleibt also abzuwarten, wie hoch die tatsächliche Rentensteigerung zum 01.07.2022 ausfallen wird.

Anpassung der Sozialversicherungsgrößen und ihre Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung

Ende Oktober wurden per Verordnung die Anpassung der Sozialversicherungsrechengrößen für das Jahr 2022 beschlossen. Soweit, so üblich. Ungewöhnlich ist jedoch, dass es zu einer Absenkung der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (West) kommt. Da die maßgeblichen Rechengrößen für 2022 von der Einkommensentwicklung in 2020 abhängen, ist es erstmal wenig überraschend, dass es Corona-bedingt zu einer zeitverzögerten Absenkung kommt. Die Absenkung beträgt dabei 50 Euro im Monat, von 7.100 Euro/Monat auf 7.050 Euro/Monat.

Allerdings hängt von der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung auch der steuer- und sozialversicherungsfrei umwandelbare Entgeltbetrag in der betrieblichen Altersversorgung ab. Bemühungen, die Reduzierung der Beitragsbemessungsgrenze nicht auf die betriebliche Altersversorgung durchschlagen zu lassen, waren vergeblich. Im Ergebnis führt dies nun dazu, dass Arbeitnehmer, die den gesetzlichen Rahmen zur Förderung der Entgeltumwandlung ausschöpfen (bis 8% der Beitragsbemessungsgrenze steuerfrei, bis 4% sozialversicherungsfrei), nun entweder für 2022 ihre Entgeltumwandlung reduzieren und ihre Beiträge absenken, oder für den übersteigenden Teil steuer- bzw. sozialversicherungspflichtige Beiträge in Kauf nehmen. Das bedeutet zusätzlichen Verwaltungsaufwand, vor allem in der Rentenbezugsphase – wegen max. 4 Euro, die monatlich nun nicht mehr der steuerfreien Umwandlung unterliegen (bei Ausschöpfung der 8%-Grenze), bzw. knapp 2 Euro in der Sozialversicherung (bei Ausschöpfung der 4%-Grenze).

Festlegung des PSV-Beitragssatz für 2021 auf 0,6 Promille

Trotz Corona verlief das Insolvenzgeschehen in der deutschen Wirtschaft offensichtlich bislang erfreulich. Jedenfalls konnte der Pensionssicherungsverein Anfang November einen Beitragssatz von 0,6 Promille für das Jahr 2021 festsetzen. Dieser lag damit unter dem langjährigen Mittel von 2,6 Promille. Zwar sollte man nicht außer Acht lassen, dass dieser niedrige Beitragssatz auch mit einigen entlastenden Faktoren zusammenhängt, die im Jahr 2022 nicht erneut in dieser Ausprägung gegeben sein dürften, wie der PSV selbst erklärt – gleichwohl ist es erfreulich, wie widerstandsfähig sich die deutsche Wirtschaft trotz den widrigen Umständen zeigt.

Kurzarbeit in Corona-Zeiten

Erneut verlängert wurden aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie die Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld. Diese pandemiebezogenen Sonderregelungen sollten ursprünglich zum 31.12.2021 auslaufen, wurden nun jedoch aufgrund der aktuellen Entwicklungen um drei Monate bis Ende März 2022 verlängert.

Die Regelungen zum Kurzarbeitergeld dürften maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die deutschen Unternehmen bislang verhältnismäßig glimpflich die pandemiebedingten Umsatz- und Auftragsausfälle bewältigen konnten. Wie das Arbeitsministerium mitteilte, haben während des ersten Lockdowns im April 2020 sechs Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Kurzarbeitergeld bezogen. Dies entspricht ca. 20%. Im Verlauf des Jahres sank diese Zahl auf ca. 2 Millionen bis Ende 2020. Seitdem ist sie wieder leicht gestiegen.

Rechtsprechung: Erwerbsminderungsrente

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einer jüngsten Entscheidung mit den Voraussetzungen für den Bezug einer Invaliditätsrente im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung auseinandergesetzt (BAG v. 13.07.2021, 3 AZR 445/20). Versorgungsordnungen verweisen regelmäßig – so auch hier – als Voraussetzung auf den „Eintritt einer voraussichtlich dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts“. Üblicherweise bewilligt die gesetzliche Rentenversicherung eine Erwerbsminderungsrente zunächst jedoch befristet auf 3 Jahre, sofern es nicht völlig unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne.

Nach der Entscheidung des BAG lässt sich aus der zunächst erfolgten Befristung im Bescheid der gesetzlichen Rentenversicherung jedoch nicht schließen, dass damit keine „voraussichtlich dauernde“ Erwerbsunfähigkeit vorliegen würde. Denn aufgrund einer dynamischen Verweisung auf das Sozialversicherungsrecht käme es für das Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung allein darauf an, dass der Versicherte „auf nicht absehbare Zeit außer Stande“ sein müsse, erwerbstätig zu sein. Nach allgemeinem Sprachgebrauch sei „auf nicht absehbare Zeit“ und „voraussichtlich dauernd“ gleich zu setzen. Und da Versorgungsordnungen nach langjähriger Rechtsprechung des BAG Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen und dementsprechend nach dem Verständnis von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern auszulegen sind, komme es daher allein auf diesen Sprachgebrauch an, und nicht auf die Frage, ob die gesetzliche Rente befristet oder unbefristet gewährt wurde.

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